Hoch gepokert und mit Anlauf gescheitert
Es gibt Unterschiede zwischen gutem und schlechtem Impro-Theater. Keine Sorge: Davon merkt der Zuschauer meist am wenigsten; es geht um den Moment.
Als Musiker habe ich jedoch schon viele Ensembles in verschiedenen Situationen erlebt. Beim Chamäleon-Auftritt am Sonntag, 19. April 2015, im Statttheater Regensburg durfte ich dabei sein, wie eine Truppe haarscharf auf dem unsichtbaren "könnte klappen"-Drahtseil balanciert. Tolles Impro-Theater – vor allem fürs Publikum!
Ein heikles Spiel
Grundidee: "April macht was er will". Jeder Mitstreiter durfte in Hälfte 1 eine Spielform wählen, ohne den Kollegen davon vorab bescheid zu geben. Diese Idee fordert Wissen, Können und Mut zur Einfachheit. Anstatt sich in Vorgaben-Wirrwarr und Handicaps zu verlieren, ergaben sich bei der Chamäleon-Show in der ersten Hälfte unterhaltsame Szenen.
Die Geschichten entwickelten eine Dramaturgie frei üblicher Normen. Statt "erstmal eine Geschichte erzählen" und "danach was mit Sprache" und "vor der Pause was körperliches", stand hier vor allem im Vordergrund "Welche Szenen-Idee mag ich heute machen" – aus dem Kopf eines einzelnen Darstellers, aus dem Moment.
"...kann schon mal schiefgehen..."
Das Tückische: Weil man beim "Wunschkonzert" nicht auf eigene Spiel-Stärken abzielen kann (zB: "Erzählen mag ich – ich glänze in der 2. Szene") stellt sich eine gewisse Ungewissheit ein. "Wie gut bin/war ich?". Meist lautet die Antwort in so einer Situation (erwartungsgemäß) "nicht so gut, wie ich eigentlich könnte". Und das kann verunsichern.
Der Unterschied zwischen gutem und schlechtem Improtheater liegt vor allem im Umgang mit dieser Ungewissheit. Man knickt schon mal ein, wenn die (vermeintlichen) Gags nicht zünden; oder die eigenen Stärken nicht Hauptelement der Spielform sind. Katrin Seidel, Erik Müller-Rochholz und Max Stoll knickten nicht ein sondern suchten stets die Initiative. Scheitern mit Anlauf – so muss das sein! Das ergibt auch Szenen mit unerwarteten Wendungen.
...und musikalisch?
Da gabs einige Bonbons. So hab ich seit langem mal wieder ein "Sing when the musician plays" gespielt. Bei den meisten Darstellern unbeliebt – für mich diebische Freude.
Höhepunkt waren für mich einige pantomimische Momente, in denen die "Geräuschkulisse" von der E-Gitarre das Bild komplettierte.
Das gipfelte in einem Musik-Geräusch untermalten Monolog von Kathrin, bei dem am Ende jede Augenbewegung vertont wurde. Spontaner Slaptstick at it's best - sehr, sehr, sehr unterhaltsam.